Thank God I'm a Country Boy - NYE 2005, New Zealand.

Und Stil hatte der Abend auch. Seinen ganz eigenen, bzw. den einer ländlichen Kleinstadt und eben Paul "Motherfucking" Madsens. Alle Hits, sach ich nur, das McDonalds des westlichen Popmusikkanons: Dancing Queen, Y.M.C.A., It's Raining Men ("for the ladies!"), Thank God I'm a Country Boy... Gerade bei letzterem Song wurde begeistert mitgesungen, ein Wunder, wenn man die dortige Arbeitslosenquote, Alkoholmißbrauchsrate und Vorkommnisse an domestic violence in Betracht zieht, aber als hochnäsiger Großstadtaffe versteht man das Landvolk ja eh nie und wenn, dann immer falsch.
Paul "Motherfucking" Madsen (wir nannten ihn so, er sich selber nicht) jedenfalls war gaanz große Kunst. Vom Habitus einer Meerkatze auf Speed nicht ganz unähnlich, im Gegensatz zu seinem Gitarrenspieler, der an einen Mogadonabhängigen Nosferatu mit Migräne gemahnte, brachte er den Marktplatz zum Kochen. Aus den umliegenden Kneipen (alle ausverkauft, alle mit Maori Türstehern der Sorte "Ey, dem sein Unterarm ist dicker als mein Oberschenkel!") schallte "richtige" Popmusik, aber gegen Paul "Motherfucking" Madsen waren keine Blackeyed Peas gewachsen. Es war natürlich eine alkoholfreie Feier - der Neuseeländer und Australier an sich traut sich mit Feuerwasser im Freien nach Sonnenuntergang ja eher nicht über den Weg und muß es demzufolge auch konsequenterweise allen anderen verbieten. So war Softeis die vorherrschende Droge und die so hergestellte family athmosphere war so klebrig, krampfig fröhlich und voll falscher Bonhomie wie die athmosphere in den meisten families bei Feiern eben ist. Trotzdem: kleine Kinder wuselten über die Bühne und hüpften und klatschten und schossen mit Wasserknarren in die Menge, die örtliche Seniorengruppe "Die rüstigen Oberschenkelhalsbrüche" bildete eine Polonaise und überhaupt - ich hab für sowas ja durchaus ein Faible. Eine Gruppe großer und schöner somalischer Frauen, gehüllt in leuchtend gelbe, rote und blaue Tücher, stand kichernd vor dem christlichen Buchladen und diskutierte lebhaft, ob man für sowas etwa vor dem Bürgerkrieg geflohen sei (wenn ich meinem Somali trauen kann - und wer kann das nicht).
Paul "Motherfucking" Madsen gab sein letztes und verließ nach gefühlten 38 Zugaben schließlich die Bühne. Er wurde ersetzt durch einen Colonel Sanders-Verschnitt, augenscheinlich einer der Organisatoren und eine lokale Größe, der die "Netter Opa" Nummer gekonnt gab und die "lieben Kinder", die inzwischen aufgedreht waren wie Blechmäuse mit Zucker im Tank, von der Bühne komplimentierte, denn nun sollte das "schöne Feuerwerk" stattfinden und man wolle das Licht auf der Bühne ausmachen. Hat man dann auch. Das Licht jedenfalls, aber Ach!, nicht leicht hat es die ältere Generation mit diesem neumodischen Technikdingenskram und tückisch ist der off switch eines Mikrofones. Im Gegensatz zum Bühnenlicht war das Mikro jedenfalls noch an und so hörte die gesamte Kleinstadt, wie der nette ältere Herr (der natürlich nicht bemerkte, daß er noch auf Sendung war) die renitenten "lieben Kinder" verbal von der Bühne prügelte. Das lernt man wirklich schon als Kind: Sätze, von Erwachsenen gesprochen, die mit "Wenn du nicht gleich...." beginnen, nehmen meist kein gutes Ende.

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