10.10.05

Silvester

Die diesjährigen Silvesterplanungen lassen mich an das sog. "Millennium" (Trademark pending) zurückdenken damals. D.l.P. und ich entflohen Sydney und überließen es stark angetrunkenen Rucksacktouristen aus dem Vereinigten Königreich. Die hatten auch ihren Spaß als sie sardinengleich den Circular Quay mit sich vollmachten und bestimmt auch den gewünschten Nigel oder die ersehnte Sally-Marie zum Schnackseln gefunden haben. Nebenbei: warum eigentlich sind so viele englische Touristen hier aus den home counties (oder, wie sich ein englischer Nachrichtensprecher mal so schön nachrichtenversprach, "the Cunt kentryside")? Gott, dieser Akzent…

Nun denn, wir fuhren damals nach Culburra. Ein paar Freunde und Bekannte d.l.P. hatten dort ein Haus gemietet; interessanterweise bestand die Festgemeinschaft aus 1 Deutschen (eben mir), 2 Australiern und 15 (Fünzehn) NeuseeländerInnen, da ging schon abends um 21.00 (Mitternacht in NZ) die Post ab. Die Liveschaltung des australischen Fernsehens nach NZ, inklusive der vom neuseeländischen Fernsehen stolz in alle Welt übertragenen ersten Geldabhebung am Automaten (denn Neuseeländer wissen, wie man feiert) wurde bejubelt und ordentlich begossen, und so huben wir gegen Mitternacht auf der Suche nach irgendeiner Zurechnungsfähigkeit an, das hochgehypte, gefernsehte und "sponsored by [insert name of corporation here]" "Millennium" so zu feiern wie sich das gehörte – nämlich auf dem Spielfeld des Culburra Beach Rugby Club. Angenehm entfernt von jedweder ekligen Erscheinung wie Elton John oder Bono gab’s da alles, was das Herz begehrte. Es hatte z.B. ein Festzelt, in dem eine Band namens "Sticky Fingers" oder "Dirty Angels" oder vielleicht auch "The Captains Of Rock" ein konstantes, NDR2-kompatibles Musikprogramm runterquälte. Wer nie "La Bamba" oder "Blue Suede Shoes" oder "Sultans of Swing" von drei Malern und Lackierern mit Vokuhila und Bock auf Rock gehört hat, hat nicht gelebt.

Das Feuerwerk war angenehm bemüht und auf schöne Weise unspektakulär. Ich genoß es Seite an Seite mit dem aufs heftigste betrunkenen örtlichen Tankwart, der, wohl um ein nettes Gespräch bemüht, nach dem anfänglichen " ’S nice isn’t it?" etwas den Faden verlor, wenig später sacht neben mir zu Boden glitt, es sich auf der von Rugbystollen durchbohrten Wiese gemütlich machte und den guten Goldblick gen Himmel richtete, ein seliges Lächeln im Gesicht.

Am nächsten Tag wurde der Kater mit Fernsehgucken bekämpft. Den ganzen Tag lief "Millennium around the world" im Haus und so erfuhr man auch endlich mal, wie Silvester auf den Osterinseln, in Burundi oder in Usbekistan gefeiert wird. Im vorherrschenden dämmrigen Kopfzustand war’s für uns wie Erdkunde auf Speed. Aus Deutschland wurde Berlin übertragen und ich wurde, wie jedes Jahr, enttäuscht – eine Million Raketen werden rund ums Brandenburger Tor abgefeuert und keine trifft. Auch ein paar glückliche BürgerInnen aus den damals doch noch relativ Neuen Ländern durften ihre schwer aufgeschnatzten Nasen in die Kamera halten und bekunden, wie glücklich sie waren, daß sie jetzt auch endlich Silvester feiern dürften, denn Silvester gab’s bei Ihnen ja nicht. Da war man dann froh, einen Kater in Culburra auszukurieren.