16.9.05

NnnnnnDakatakataka Haaaaaaaaaaaaaaaa Hummmmmmm - FANTOMAS, 11/09/2005, ENMORE THEATRE

Wow.

Selbst nach 4 Tagen muß ich immer noch verblüfft grinsend den Kopf schütteln, wenn ich an letzten Sonntagabend denke. Ohne Übertreibung jetzt (was für Freund L. überraschend sein mag, bezeichnete er mich früher doch gerne als "Bärbel Hyperbel") und ohne jeglichen soziokulturellen Bezug: Fantomas ist (musikalisch) die beste Liveband der Welt. Zumindest war das Konzert letzten Sonntag das beste an Musikertum, das es je mein Privileg war, miterleben zu dürfen. "Ohne soziokulturellen Bezug" sag' ich deshalb, weil mir durchaus bewußt ist, daß meine musikalischen Maßstäbe nach 7 Jahren Australien ins Bodenlose gesunken sind. In der Not frißt der Teufel Fliegen, oder eben auch AC/DC Coverbands in einem seelenlosen Pub, und ist sich hinterher sicher, eine grandiose Mahlzeit sprich Zeit gehabt zu haben. Nicht so diesmal - Fantomas ist, wie man hier sagt, the real deal, the real motherfucking McCoy. Die hätten auch den Cup gewonnen, wenn ich 3 Tage vorher und 3 Tage hinterher andere Klassebands gesehen hätte.

Dagegen waren Nine Inch Nails vor einem Monat ein Burger mit Pommes, während Fantomas ein 20-Gänge-Menü war - und alle Gänge wurden gleichzeitig auf einem Teller serviert. Von einem schizophrenen Kellner mit einem grellgelben Cartoonaffen auf der Schulter. Ahem. Gut, das möchte man vielleicht nicht jeden Tag essen, bzw. hören, und darum zieh ich auch die Grenze zwischen "musikalisch das beste Konzert, was ich je gesehen habe", und "das beste Konzert was ich je gesehen habe". Ich stand da mit offenem Mund (nicht nur ich, wie sich beim Umblicken erwies) und konnte vor lauter Staunen die Ohren nicht abwenden. Fantomas schafften es tatsächlich, die brutalen Tempiwechsel, surrealen Samples, krachenden Klangwände, bedrückenden Lücken, welche unvermutet in ein Gitarrenbratriff gezwängt werden, verwirrenden Effekte, kurz: den gesamten genialen musikalischen Selbstbedienungsladen ihrer Platten live 1 zu 1 auf die Bühne zu kriegen. Kein Verspieler, kein Hänger, kein falscher Ton. Nix. Perfekt. Wer (gerade) die letzte Scheibe gehört hat weiß, daß dies eigentlich völlig unmöglich sein müßte. War es aber eben nicht, und darum geht der Musikantencup auch verdient an Fantomas, für jetzt und in alle Ewigkeit - ich glaube nicht, daß ich jemals etwas sehen und/oder hören werde, daß mich dermaßen beeindrucken wird (jedenfalls nicht auf der musikalischen Ebene).

Vom optischen mal ganz abgesehen. "King Buzzo" Buzz Osbourne, der im fortgeschrittenen Alter einem grauhaarigen Sideshow Bob immer ähnlicher wird und Trevor Dunn (ich hab gecheckt: der hat tatsächlich nur 4 Finger und einen Daumen an der linken Hand, wie wir Normalsterbliche auch - wie man damit allerdings die geradezu lächerlich komplizierten Bassakkorde greifen kann, die Fantomas Musik verlangt, ist mir immer noch nicht einsichtig) bildeten das mittig auf der Bühne pochende rhythmische Rückgrat. Flankiert wurde die Saitenfraktion von Mike Patton rechtens, hinter einer Batterie von Synthesisern, Effektgeräten und 4 verschiedenen Mikrofonen, während zur Linken Gott Cuba's finest Dave Lombardo sich den bei Slayer eingehandelten Beelzebub aus dem Leib trommelt. Ein Mann im Schlagzeuggewitter, sozusagen. Hätte ich damals bloß Schlagzeug gelernt! Patton und Lombardo haben denn auch die gesamte Chose so fest im Griff wie ein VW-Betriebsrat eine Prostituierte; nur so kann Fantomas funktionieren, wie sie es eben tun.

Hach. Da weiß man wieder, warum man Musik liebt. Und auch wenn Pattons, wie d.l.P. das ausdrückt, tschakatschaka wailings gewöhnungsbedürftig sein mögen - wenn man keine "richtigen" Worte singen muß, kann man eben die Stimme als das Instrument gebrauchen, das sie sein kann. Und natürlich enthält jeder 27-Sekunden-Fantomas track trotz oder eben auch wegen Pattons Nichtworte mehr Wahrheit über das moderne, fragmentierte Leben als alle Soziologiepop-LPs von, sagnwamal, U2. So schön kann Kunst sein.