11.1.06

Ganzkörperpeeling

Nichts Schöneres gibt es, als sich nach getaner Lohnarbeit an den örtlichen Strand zu begeben und - Pack die Badehose ein - sich flugs in den wogenden Fluten zu versenken. So erledigt man neben angenehmer Abkühlung im momentanen Dampfsaunawetter auch gleich noch einen der guten Vorsätze fürs neue Jahr, die man eigentlich aus Überzeugung gar nicht macht. Dieser spezielle befaßte sich mit Zeit und Raum: solange man noch da wohnt, wo man es eben tut, sollte man unbedingt jede Welle mitnehmen, die man kann.

Abends um 6 ist der Strand noch voll. Touristen krebsen rot umher, ölen sich das gepeinigte Fleisch und lesen Flughafenthriller. Jede Menge Cops sind natürlich auch da, die in ihren blauen Uniformen, weißen Mützen und schweißgetränkten, schon ins violette spielenden Gesichtern aussehen wie der Herzinfarkt-Schlumpf. Ein paar libanesische Jungs, kaum 20 Jahre alt, nuckeln provokant auf den Treppen an der mitgebrachten Wasserpfeife und versuchen, böse zu gucken. White trash aus den Vororten posed rum und zeigt scheußliche Körpermodifikationen her, was einen dann doch unwillkürlich an das schöne Half Man Half Biscuit (Hallo, Toschi!) Lied "Shit Arm, Bad Tattoo" denken läßt.

Jede Menge Leute machen den Pazifischen Ozean mit sich voll, was nach dem neulichen tödlichen Haiangriff auf Stradbroke Island doch überrascht, gerade weil die Qualität der potentiellen Haihäppchen an meinem Strand doch recht hoch ist. Wenn man sowas mag. Aus der Sicht eines Hais, jetzt. Mir hingegen sind solcherart Erwägungen ja eh Schnuppe und so rolle ich meinen nach den Weihnachtsfeiertagen recht marzipanreichen Körper in die Brandung.

Bodysurfing ist ja nicht jedermans Sache, denn die wipe outs (Deutsch: "derbe auf die Fresse fliegen") sind unmittelbarer und desorientierender als beim Surfen. Wenn man eine einigermaßen (und oft dann doch überraschend) hohe Welle zu fassen kriegt, sich ver- bzw. in meinem Fall regelmäßig überschätzt und zu früh reingeht, dann erlebt man mit schöner Vorhersehbarkeit eine sog. overhead wave. Man befindet sich plötzlich auf dem höchsten und vordersten Punkt der Welle und geht vor ihr arse over tit Koppheister, noch bevor die eigentliche Welle bricht. Für ca. 1-2 Sekunden erlebt man das unwirkliche Gefühl, wie der Oberkörper im prosaischen Nichts herumhängt, während die Unterschenkel sich noch unter Wasser befinden. Lange hält das jedoch nicht, denn man wird flink von der eigenen Dummheit, die Welle zu früh angeschwommen zu haben, über den Kamm befördert und weggeschmissen wie eine gammelige Sitzkommode auf dem Recyclinghof.

Was folgt ist der Fall - scheinbar endlose Sekunden in denen man zwar nicht sein ganzes Leben, wohl aber mindestens den soeben durchlittenen Arbeitstag vor seinem inneren Auge vorbeiziehen sieht. Während sich ein halb überraschtes (denn natürlich hat man das wieder mal nicht kommen sehen), halb schreckhaftes WOOOAAAA!! versucht, von den salzverkrusteten Lippen zu lösen, wird man auch schon von Freund Pazifik untergeduckert und herumgeworfen und auf dem Meeresboden entlanggeschleift und generell aufgemischt und umhergetreten. Der aufgewirbelte Sand verpaßt einem dann auch das in der Überschrift angesprochene Ganzkörperpeeling. Man läßt den ganzen Körper erschlaffen und gibt sich dem Wasser hin, nicht weil man hippiesk die Wale singen hören wollte, sondern weil alles andere eh sinnlos ist. Ein paar Meter weiter kommt man dann prustend wieder zum Vorschein und will gleich nochmal. Ich zumindest. Wie Zen in der Waschmaschine. Fast gefallen mir die wipe outs besser als ein geglückter set, aber ich habe wohl eine natürliche Affinität zu dieser speziellen Art des brutalisierten Meditierens.

Außerdem bin ich Scheiße beim Bodysurfen.

[Pic nicked from the Beach Palace]