5.12.05

DAS kann man essen? Teil 4

Griebenschmalz auf Schwarzbrot an Astra im Clochard, Hamburg

Es war damals in der zarten Zeit der Frischverliebtheit und des sich gerade erst Kennengelernthabens. D.l.P. und ich trafen uns auf der Reeperbahn da d.l.P. mal sehen wollte, wo dieser merkwürdige deutsche Mann, den sie sich da angelacht hatte, denn so hingeht wenn er weggeht. Und damals verbrachte ich viel mehr Zeit als eigentlich empfehlenswert gewesen wäre im Clochard. Nicht zuletzt, weil es Essen umsonst gab - ich brauchte mein knappes Geld damals für, wie mir schien, wichtigere Dinge.

Also auf in die für ein romantisches tête-à-tête äußerst ungeeignete Lokalität, aber d.l.P. hatte ja ein Verlangen nach "your real self, not some sanitised version you're putting on for the ladies" bekundet, und das sollte sie dann auch bekommen. "Was für eine coole Frau", dachte ich mir. D.l.P. nahm auch alles interessiert auf und schien sich prächtig zu amüsieren, obwohl die Umstände von denen einer neuseeländischen wine bar verschiedener nicht sein konnten. Wie zumindest damals gar nicht mal so unüblich, bretterte derbster Lärm (Cannibal Corpse) aus der Jukebox, kein Wunder, ich hatte es ja gedrückt. Am Kicker entwickelte sich gerade ein leidenschaftlich geführtes Spiel zwischen guten Freunden oder eine beginnende Beulerei zwischen Fremden, so genau wußte man das manchmal nicht, nicht mal wenn man, im Gegensatz zu d.l.P. damals, Deutsch verstand. In der Ecke am Eingang schlief ein hagerer Mann seinen zweifelsohne intravenös eingenommenen Mitternachtssnack aus.

Auch ich hatte inzwischen Hunger. Noch zwei Astra geholt und dann mit stolzer Geste d.l.P. den Plastikbottich mit Griebenschmalz auf der Seitentheke präsentiert. Daneben stapelten sich halboffene Packungen Aldi-Schwarzbrots. Ein Messer mit einem schmuddeligem Griff aus Perlmuttimitat ragte aus dem Griebenschmalz wie Arthurs Schwert aus dem Stein. "Klasse oder?" wandte ich mich an d.l.P. "Und das beste ist," holte ich zum match winner aus, "es ist umsonst!" Das Gesicht d.l.P. fiel in sich zusammen. "Was ist DAS denn?? Eurrrgghhhh!" "Das ist Griebenschmalz." "Ja, das sagtest du bereits. But what the fuck IS Greebenshmolts??" "Ahem, naja, das ist geschmolzenes Schweinefett. Mit Zwiebeln." "Is that what those bits are?" "No, that's bits of solid fat and bacon. And onions."

Sprach's, schmierte ein leckeres Schmalzbrot und präsentierte es d.l.P. auf einem imaginären Silbertablett. Sie, zu meiner Überraschung, wies es dankend ab. "Aber wieso," fragte ich, "sowas habt ihr in Neuseeland doch bestimmt auch, oder? Gibt's doch in England und Schottland auch, bread and dripping, haben das die ersten weißen Siedler nicht mitgebracht?" "Naja," scharrte d.l.P. verlegen mit den Füßen, "schon. Aber das ißt eigentlich keiner mehr, außer, ahem... if you're poor. Und dann auch nicht...so." Sie wies mit weitausladender Handbewegung auf den Schmalzbottich, das Brot, das Lokal, mein Leben. Ich biß in mein Schmalzbrot.

Wenn d.l.P. und ich uns heute uzen und fragen, ob wir damals je Zweifel hatten, kommt d.l.P. regelmäßig mit dieser Geschichte an: "Als du da standst mit diesem Schmalzbrot... An die Musik konnt' ich mich gewöhnen, der Laden ging ja auch noch, aber dieses Zeugs - ich dachte: das kann eigentlich nicht gutgehen. Wer sowas ißt, kann kein guter Mensch sein." Dann grinsen wir und ich mach' uns ein Schmalzbrot. Inzwischen ist sie nämlich auf den Geschmack gekommen.