29.11.05

DAS kann man essen?? Teil 3

Mettbrötchen mit Zwiebeln in Hamburg-Blankenese

Vorweg: ich liebe Mettbrötchen. Aber heute wollen wir uns mal den Augen eines Außenseiters bemächtigen.

Irgendwann in den Neunzigern. Nach einiger Zeit des internationalen Rumtreibens war ich wieder mal in Hamburg aufgeschlagen und hatte lieben Besuch: Stockport Jim aus England. Jim wollte natürlich herumgezeigt werden und so machten wir uns eines Nachmittages nach Hamburg-Blankenese auf. Nach etlichen Stunden des wohlbetuchter Leute Häuser-Bestaunens meldete sich ein leicht nagendes Verlangen nach Atzung in unseren vom vorherigen Abend noch leicht beschädigten Mägen. Es war dies in was ich heutzutage reumütig meine "verdaddelte Zeit" nenne, in der ich mit gleichgesinnten gesellschaftlichen Randexistenzen (u.a. Stockport Jim) versuchte auszuloten, wieviele konsekutive Tage man ohne feste Nahrung und nur unter regelmäßiger Aufnahme von Alkohol zu überleben vermochte (länger, als man denkt). Nun denn, wir hatten Hunger und waren inzwischen in der Blankeneser Fußgängerzone angekommen. Ich steuerte Jim in einen Bäckerladen, der Belegte Brötchen (auch halb) feilbot.

"Mate, you're gonna love this!" exhortierte ich den zaudernden Jim. "What is it?" "It's rolls man, with all on and then some - ham, cheese, friggin' anything you want." Jim, aus England das Konzept des belegten Brötchens nicht ganz so gewöhnt, willigte ein, wir taumelten in den blitzeblanken Bäckersladen und reihten uns ein in die Schlange gutbürgerlicher Blankeneser Brotkäufer. Ich sah es schon in der Auslage: ein Mettbrötchen mit Zwiebeln. Jawoll. Das bestellte ich mir dann auch, Jim nahm ein Camembertbrötchen, wir gingen hinaus und setzten uns auf eine Bank.

Ich wollte gerade zum ersten Biß ansetzen, als Jim einen angewiderten Blick auf mein Mettbrötchen warf: "Is that what I think it is?" "Why, what do you think it is?" "I think you're eating raw minced meat. As a spread. Topped by raw onions. You guys are dis-gus-ting." Und auf einmal sah ich das, was in meiner Hand lag, mit anderen Augen, nämlich Jims: es stimmte. Ich war gerade dabei, rohes Hackfleisch und rohe Zwiebeln als Brotaufstrich zu essen. Ich mußte schlucken. Der Restalkohol des vorangegangenen Abends machte sich bemerkbar. Nicht mal mein Einwand, es wäre doch gar nicht roh, sondern vielmehr lecker gewürzt ("Well, it does have salt and pepper in it!") konnte ihn überzeugen, und mich auch nur bedingt. Der Hunger trieb es schließlich rein.

Man darf seine über lange Jahre sich angeeignete kulturelle Fähigkeit, gewisse Sachen einfach so zu essen ohne lange zu überlegen, was man denn da ißt, auch keiner zu harten Prüfung unterziehen.