10.8.05

Schlauer Kopfkhaki, aber 'n Bier würde ich damit nicht trinken gehen wollen

Nun also doch noch etwas über deutsche Blogger, denn es läßt mich einfach nicht los. Ich recherchiere jetzt seit knapp 2 Wochen, oder aber, um genau zu sein, seit knapp 9 Arbeitstagen (Mann, ich brauch soo dermaßen einen neuen Job…), und es ist wirklich beeindruckend. Ich schätze mal, daß von ca. 25 deutschen Blogs die ich gelesen habe, mindestens 20 alle folgenden Eigenschaften auf sich vereinen können:

Bestehend seit ungefähr 2004, geschrieben von 25-45jährigen, die ALLE studiert haben und irgendwie in der Werbung, in den ”Neuen Medien”, in der Publizistik oder sonstigen Kulturfabriken arbeiten; und es sind ausnahmslos alle auf deutschen Anbietern. Die restlichen 5 gibt’s schon länger, sind aber ansonsten fast identisch, was die Demographie angeht. Das mit den deutschen Anbietern ist insofern interessant, als daß viele der von mir Beguckten die schon erwähnten Anglizismen so verschwenderisch durch die Gegend blasen wie Agent Orange – selbst mit wohlwollendem Auge muß man da zu dem Schluß kommen, daß die so offenkundig zur Schau gestellt werden sollende Liebe zur englischen Sprache offensichtlich nicht ausreichte, relativ einfache Installationshinweise englischer und amerikanischer Anbieter zu verstehen, die es schließlich schon viel länger gibt.

[polemic]Und da ich auf dem wohlwollenden Auge heute blind bin, gilt alternativ natürlich meine patentierte "Je dümmer der Bauer, desto feiner der Anzug"-Theorie: es sind ja immer wieder die gleichen Nasen, die mit englischen Begriffen um sich schmeißen, so penetrant wie fehlerhaft, um zu zeigen, wie hip und trendy sie doch sind. Das sind dieselben, die mit Arnold-Schwarzenegger-Akzenten in englischsprachigen Ländern (unter anderem auch in meinem Vorort des Sommers) lauthals krakeelend in Vodafoneläden "Handys" kaufen wollen und sich dann wundern, warum sie keiner versteht.[/polemic]

Aber ich wollte mich ja über die deutschen Blogger wundern. Woher kommt diese Uniformität? Gibt es denn keine Schüler, die bloggen? Keine Hausfrauen? Keine Fleischfachverkäuferinnen? Keine langweiligen Männer mit Briefmarkensammlungen? Und – ich suche jetzt wirklich seit 2 Wochen – keine deutschen Exilanten? Das fällt mir am meisten auf im Moment: das die englischsprachige blogosphere so dermaßen vielfältiger ist als die deutsche Blogosphäre. Andererseits fällt mir auch auf, daß alle 25 Blogs, die ich beäugte, im Durchschnitt deutlich besser geschrieben waren als vergleichbare englischsprachige, sowohl auf der Grammatik-Stil-Vokabular-Ebene als auch von der Analyse alltäglicher Begebenheiten her. Will sagen, viele deutsche Blogs kommen schnell vom Singulären ins Abstrakte und versuchen, allgegenwärtige Wahrheiten aus, sagen wir mal, einem Kinobesuch zu destillieren. Was ich persönlich sehr anziehend finde – die Tatsache, daß durch diese Erzählungen halt Persönlichkeiten durchschimmern, mit denen zumindest ich lieber kein Bier trinken würde, ist erstmal by the by (um im Duktus zu bleiben).

Ist das wieder mal ein Phänomen deutscher Alltagskultur? Eine kleine Elite der gebildeten Bourgeoisie sieht die Trendsetterchance, schnappt sich ein neues kulturelles Phänomen (was bloggen wohl so vor ca. 1-2 Jahren in D'land gewesen sein muß - nebenbei: das Land mit diesem mir völlig unverständlichen Technikliebe-Ruf im Ausland, wie auch hier, mal wieder ganz Klasse um einige Jahre der globalen Entwicklung, zumindest in den Metropolen, hinterher...), monopolisiert und kolonialisiert dies und bildet flugs ihre eigene Subkultur, an die sich die ungewaschene Masse natürlich aufgrund mangelnder "Code- und Passwords" (Wiglaf Doste) nicht herantraut? Ich erinnere mich da noch undeutlich an unselige "I was a punk before you were a punk"-Diskussionen, die gerade in HH (Hipster-Hamburg) auf alles angewandt werden konnten: Jeansmarken, T-Shirt-Motive, Fußballfans, Bands natürlich, Bücher (“Hast du Calvino schon gelesen?? Nicht?? Pfffffff…”). Aus der Entfernung besehen, scheint mir das als eine sehr deutsche Eigenart: die sofortige Segmentierung popkultureller Phänomene in eine supercoole first generation of early uptakers und eine von selbiger verachteten Klasse der Zu-Spät-Kommer (die ja angeblich das Leben bestraft). Das gibt’s hier so nicht – und evtl. darum ist es vielleicht auch so langweilig hier. Sofortige Segmentierung gibt’s hier nur auf dem Meeresboden vor Bondi. Nicht vergessen: ich scheine diesen elitären Scheiß ja tatsächlich so zu vermissen, daß ich den (zumindest für eine Weile) wiederhaben zu wollen scheine. Insofern ist alles Obige auch nicht unbedingt als Kritik zu sehen. Vielmehr als präventives, nivellierendes Pfeifen eines Emigranten vor dem dräuenden, dunklen, deutschen Wald.

Aber wie gesagt: 25 Blogs sind natürlich kein repräsentatives sample. Vielleicht ist’s gar nicht so einseitig, wie’s mir scheint. Darum meine Frage an Euch: was verbindet Ihr mit den Begriffen "Blogger" bzw. "Bloggen"? Um Kommentare wird gebeten!