12.7.05

Dinosaurierrutschen

Als wir durch Lake Wanaka fuhren, hingen die Wolken wie fette Tauben am Himmel und hätten bestimmt bedeutungsschwanger mit dem Zeigefinger gedroht, wenn sie im Allegoriegeschäft des zweiten Halbsatzes nicht schon das letzte Geld ausgegeben hätten. Ahem... ich fang nochmal an. Es nieselte, und wir stoppten kurz zwecks Atzung und Beinevertreten. Kurz nachdem wir den Mietwagen vom Parkplatz bugsierten wie einen fetten Onkel vom Büffet der Goldenen Hochzeit Großtante Heidruns (das Allegoriegeschäft hat anscheinend immer noch nicht zu), rief d.l.P. auf einmal: "Halt an! Ich muß mal eben was photografieren!" Ich hielt an, d.l.P. schnappte sich die Kamera, überquerte die Straße, welche im Bindfadenregen glänzte wie frischgegossenes Blei zu Sylvester (Jesus! Kann mal jemand 'n paar Schanzenstreetfighter anrufen, die diesen beknackten neumodischen Allegorieladen dichtmachen??), und hielt schnurstracks auf etwas zu, das meine Eltern und ich aus der Entfernung als die wahrscheinlich schlechteste Dinosaurierplastik ausmachten, seit es Jurassic Park gibt (jetzt auch noch Anspielungen und Persiflagen... das kann die Postmoderne auch nicht gemeint haben...).

Jedenfalls ist dies eine der liebsten Kindheitserinnerungen d.l.P.: die Dinosaurierrutsche in Lake Wanaka. Von unglaublich hartherzigen Eltern - in den 70ern waren Eltern noch hartherzig - zum Verwandtenbesuch gezwungen, mußte d.l.P. damals diverse mehrstündige Autofahrten und Bootsübersetzungen auf sich nehmen, bis sie endlich dort ankam, wo sie überhaupt nicht hinwollte, aber wer hört schon auf einen, wenn man 8 ist. So war der Höhepunkt zwischen Auckland, Alliteration und Anverwandtschaft (Oh Mann...) eine aus Zementimitat geformte Rutsche in Dinosaurierform, und Oh Freude! sie stand noch. Zwar inzwischen renoviert (der fallfreundliche Bodenbelag z.B.) und damit streng genommen nicht mehr DIE Dinosaurierrutsche ihrer Kindheit, aber immerhin ist sie noch da und erfreut, wahrscheinlich, was weiß man denn, immer noch unzählige durchreisende Großstadtkinder mit ihrer generösen Rutschigkeit. Wie man hier so schön sagt: Is that a word? It is now!

Wie dem auch sei: beim Durchschauen unserer Urlaubsfotos und beim Überlegen mit welchen ich Euch denn jetzt langweilen sollte, blieb ich bei diesem hier hängen. Denn, liebe Leserschar, haben wir nicht alle eine Dinosaurierrutsche irgendwo weggeschlossen im Zerebellum? Oder natürlich auch, in meinem besonderen Fall, in Koffern und Pappkartons? Und weil ich gerade aufgrund des jetzt doch schon näherkommenden Umzugs nach HH (na gut, 11 Monate sind's noch, aber trotzdem...) gerade dabei bin, meine hamstergleich gehorteten Erinnerungsvorräte aufs Allernötigste zu reduzieren... wo war ich? Man sollte nach knapp 7 Jahren Exil echt nicht mehr mit deutschem Satzbau experimentieren.. Ach ja: ich schmeiß' gerade Kram weg. Sozusagen meine Dinosaurierrutschen. Die bei mir die Form von Große Freiheit 36 Getränkegutscheinen von 1988, Martkthalleneintrittskarten (diese kleinen gestreiften zackigen fipseligen) und verschiedenen Zetteln aus den 80ern voll von fast entfallenen Namen, Telefonnummern und romantischen Hoffnungen auf das, was man bei Dr. Sommer immer gelesen hatte, annehmen. Ich weiß nicht, ob man mit 33 schon ekelig nostalgisch werden darf. Andererseits wüßte ich nicht, wen ich um Erlaubnis fragen sollte.