1.3.05

"Small tits" - Sarah Blasko, ROUNDHOUSE, University of New South Wales, 23/02/2005

An jenem Abend hatte ich wohl auch vergessen, meinen Idiotenmagneten auszumachen. Bevor ich überhaupt beim Konzert ankam, passierte mir erstmal was, was durchaus einen eigenen Beitrag wert ist und diesen wohl auch noch bekommt, so ich denn Zeit finde. Jedenfalls kam ich das erste Mal seit laaanger Zeit mal wieder zu spät zu einem Konzert, und alles Dank einer betrunkenen Nachbarsmutter in meinem Garten. Aber wie gesagt: dazu später mehr.

"Man, she's got small tits!". Genau dieses maulten mir zwei hinter mir stehende, offensichtliche Erstsemester ins Ohr, als ich endlich im Roundhouse zum Stehen und Gucken und Hören kam. Nun weiß ich inzwischen ja zur Genüge, daß australische Teenager insgesamt auf der Evolutionsleiter nur knapp über der Schlammamöbe anzusiedeln sind, und dadurch, daß die hier alle mit 17/18 Jahren schon an die Uni gehen und dieser Gig letzten Mittwoch abend im Rahmen der Orientierungswoche der University of New South Wales stattfand, war ich auf sowas auch irgendwie gefaßt. So quittierte ich auch diesen Auswurf australischer Kultur und hiesigen Umgangstons mit dem inzwischen immer häufiger vorkommenden halb resignierten, halb müden Kopfschütteln und wandte mich der Künstlerin zu.

Da gibt es nun allerdings nicht sehr viel zu zu sagen. Wenn meine Freundin M. nicht hingegangen wäre und ich das ganze als immerhin ja auch noch Student nicht für umsonst gekriegt hätte, wär ich wohl auch nicht zugegen gewesen. Nett war’s. So denn Leise immer noch das neue Laut ist, dann war’s ohrenbetäubend krachig im Roundhouse. Will sagen daß Frau Blasko einen netten Akustikgig hinlegte und bei einigen Songs sogar von einer ganzen Band unterstützt wurde – aber selbst dann blieb es relativ ruhig auf der Bühne. Bzw. eben laut, je nachdem wo die Musikpresse aller Länder sowas jetzt verortet. Die Band jedenfalls war richtig gut, auch wenn M. hinterher meinte, daß 2 Keyboarderinnen vielleicht doch übertrieben war. Da eine von jenen jedoch das allersüßeste Stupsnäschen hatte, konnte ich diese Meinung nicht so ganz teilen.

Sarah Blasko gilt hier als "alternative" und "intelligent pop music with a unique female sensibility", und wenn man sich die Wüste Gobi der australischen Popmusik anschaut, haut das auch so hin. Blaskos eigenwillige Bühnenpräsenz irgendwo zwischen Ausdruckstanz (Ich bin ein Baum! Ich bin eine Tulpe!) und Autismus war jedenfalls mal eine erfrischende Abwechslung zu den ewigen Rockbands-mit-Rockchick-als-Sängerin hier mit ihrem Eierstockgeschaukel. Auch stimmäßig erinnerte Frau Blasko stark an jemanden aus Island, und so kann man sich meiner Meinung nach sehr sicher sein, daß in Sarah Blaskos CD-Sammlung unter "B" Björk neben Björk neben Björk neben Björk steht, gefolgt von BJ, Quatsch, PJ Harvey. Aber das machte eigentlich auch nix, besser gut geklaut als schlecht geklaut, was, nebenbei bemerkt, mit einigen wenigen Ausnahmen auch den einzige Unterschied zwischen australischen Bands im Allgemeinen darstellt - die einen klauen gut, die anderen nicht. Wie es bei WERNER seinerzeit geklungen hätte: hieä, der Song! Oorginal issas nich!

Nach dem Konzert stürmten kleine Mädchen zum T-Shirt Stand um sich ein Autogramm der offensichtlich von vielen kleinen Studentenmädchen und Möchtegern-Feministinnen zu einer Art Identifikationsfigur (brrr..) auserkorenen Sarah Blasko auf ihre Wendy Und Ihr Ponyhof (oder was auch immer das australische Gegenstück dazu ist) Federmäppchen kritzeln zu lassen. Die kleinen Studentenjungs hingegen murrten immer noch über vermeintliche "small tits" und wankten (natürlich alleine) dem Ausgang entgegen. Ich hingegen wurde vor der Halle noch von einer stark angetrunkenen Sarah Blasko-Verehrerin (hatte sogar denselben Kleidungsstil drauf, also so wie eine gutbürgerliche junge Frau die auf alternativ macht eben aussieht) um eine Zigarette angegangen - "Ey, die sssahl ich dir auch ey", sprach's und drückte mir ein 50 Cent-Stück in die Hand. Als ich dies abwehrte und ihr eine Zigarette mit den Worten "Brauchst du doch nicht zu bezahlen, is schon OK" anbot, schnappte sie sich die Zigarette und verweigerte die Rücknahme der 50 Cents mit den kryptischen Worten "Neeeee, behallduman, weissja nieee wofür dudie noch gebrauchn kanns!"

Wie wahr, dachte ich mir auf dem Nachhauseweg, das ist sozusagen das Koan meines Daseins in Sydney im Moment: weissja nieee, wofür ichas nochma gebrauchn kann.