25.6.04

Schottland in spe - Dunedin - 15/05/04

J hat einen Hund namens Claude. Selten so einen passenden Hundenamen gehört, denn irgendwie ist Claude der Louis de Funès der Hundewelt, zwar ohne die cholerischen Wutausbrüche, aber dafür ähnlich enthusiastisch. Nachdem ich mir nach einer von Claudes zahlreichen Kuschelattacken seine Mocca-mit-Schlagsahnefarbenen Hundehaare aus meinen natürlich schwer modischen schwarzen Klamotten gebürstet habe, geht's auf nach downtown Dunedin.

Das Erste was auffällt ist die merkwürdige Zusammensetzung der Kunden auf dem Dunedin Growers Market, einer Art Wochenmarkt für Biobauern und lifestyle farmers. Hippies und Hillbillies stehen sich bunt gemischt die, je nachdem, mit Gummistiefeln oder Docs beschuhten Füße in der Schlange vor dem Biobrotbäcker platt. Das macht auch Sinn, ist Dunedin doch die quintessentielle Kleinstadt, aber gleichzeitig auch Heimat der ältesten Universität Neuseelands. Vergleichbar wäre Dunedin so ungefähr mit Münster, nur mit mehr Wasser.

Als Zweites fällt einem relativ schnell Folgendes ins Auge: die augenscheinlich in Dunedin geborenen Jugendlichen fahren gerne unter taubenlauter HipHop-Beschallung aufgemotzte Prollschaukeln im Schritttempo durch die Hauptstraße und verziehen dabei quasi-cool die teigigen Gesichter. Wie man überhaupt der Physiognomie einiger Passanten entnehmen kann, daß Dunedin für lange Zeit ein eher abgeschiedenes Dasein geführt haben muß - das kommt dann wohl dabei raus, wenn der Genpool über Jahrhunderte einem Nichtschwimmerbecken gleicht. Nicht umsonst merkte die liebende Partnerin am Morgen warnend an, daß wir jetzt in Weißbrotneuseeland wären (im Gegensatz z.B. zu Auckland oder Hamilton).

Im Gegensatz dazu stehen die großen Gruppen augenscheinlich nicht in Dunedin Geborener: chinesische, japanische und koreanische Jungmenschen, die fröhlich lachend und redend umhergehen. Meistenteils internationale Studenten, verleihen sie Dunedin die Prise frischer Internationalität, die es so kuschelig-sympathisch macht, ohne ins Klaustrophobe abzurutschen. Daß es allerdings überall in der Welt Mehrzeller gibt, die lieber im Furzdunst der eigenen Volksgruppe vor sich hin müffeln würden, wenn man sie nur ließe, bezeugen die hier und da hastig an Abbruchmauern und Kneipentoilettenwände geworfenen Graffitti.

Das weiße Dunedin wurde von schottischen Emigranten gegründet, und man wird auch an jeder Ecke daran erinnert: das Rugbyteam heißt "Highlanders", beim Schlachter gibt's Haggis und einen eigenen Tartan hat Dunedin auch. Für jemanden wie mich, der mit dem eigenen Land schon genug Probleme hatte solange ich noch tatsächlich da lebte, geschweige denn mit dem oft niemals mit eigenen Augen gesehen Herkunftsort fast schon familienmythischer Ur-Ur-Urgroßeltern, wirkt das alles etwas Schlesiertreffen. Nun ja. Whatever floats your boat, wie man hier so schön sagt. Im Großen und Ganzen doch ein recht annehmbares Fleckchen, Dunedin - reichlich Wasser, hügelig wie Sheffield und auch wenn StudentenInnen generell in angelsächsischen Ländern eine Plage sein können, hier wirken sie zivilisierend und alleine für die Cafés und Buchläden, die's in Dunedin reichlich gibt, muß man ihnen dankbar sein.

Auch die beste idiosynkratische Gitarrenpopmusik der 80er und 90er, die mehrheitlich auf dem Flying Nun Label erschienen ist und dessen Namen als Musikschublade trägt, kommt aus Dunedin - Bands wie The Clean, The Straightjacket Fits oder The Verlaines. Ähnlichkeiten mit The Smiths oder Blumfeld sind da durchaus nicht von der Hand zu weisen, auch wenn die Indypopper Dunedins weniger weinerlich à la Herr Morrissey als vielmehr leise und weise von der Fehlbarkeit des Menschen singen, bzw. sangen. Wer wissen will, wie Dunedin aussieht, sollte sich eine der obengenannten Bands gönnen, oder die zwar aus Auckland stammenden aber dennoch artverwandten Able Tasmans. Melodien wie die sanften Hügel, die Dunedin umgeben und die generell sanfte Umgangsform. Dunedin rockt nicht, Dunedin groovt auch nicht, Dunedin samtet.