27.5.04

Vignette 1: Im Flugzeug nach Dunedin, 14/05/2004

Hinter mir sitzt ein Ehepaar aus Südafrika. Wie sich bald herausstellt, ist auch eine der beiden Flugbegleiterinnen aus Südafrika, und so kommen die drei ins Gespräch. Die Flugbegleiterin ist ca. Ende 20, Anfang 30, blond und trägt Goldschmuck an den Ohren und Fingern. Das Ehepaar ist vielleicht Mitte bis Ende 40 - er hat ein vierschrötiges, leicht sonnenverbranntes Gesicht und halblange, rotblonde Haare, die vom Mittelscheitel aus traurig herabhängen. Sie ist mir kaum im Gedächtnis geblieben. Möglicherweise hat sie rötliche, gewellte Haare, eventuell trägt sie einen dunkelblauen Blazer mit goldenen Knöpfen.

Sie unterhalten sich über Südafrika und darüber, wo sie gerade leben (Neuseeland - Auckland diese, Hamilton jene) und wie lange sie schon da sind (ein paaar Jahre). Sowohl das Ehepaar als auch die Flugbegleiterin wollten eigentlich nach Australien ziehen, scheinen aber, so inferiere ich, leichter ein Einreisevisum für Neuseeland erhalten zu haben. Nun warten sie in Neuseeland darauf, eine permanente Aufenthaltsgenehmigung für das von ihnen ohrenscheinlich nur mühsam geduldete Land zu bekommen. Diese würde ihnen das Erstellen und schlußendliche Gewähren eines Visums für Australien wesentlich erleichtern. Zumindest die Flugbegleiterin kann es kaum abwarten, endlich in Sydney zu leben, ihren ständigen Beteuerungen zufolge. Ihr blonder Pferdeschwanz wippt enthusiastisch beim Beschreiben des gelobten Landes, das Sydney ihrer Meinung nach darstellen müsse.

Bis hierher ist die Unterhaltung gänzlich auf Englisch geführt worden. Nun jedoch gerät die Konversation auf die Bahn der wechselseitigen Vergangenheitsausleuchtung. Nach kurzem Schnüffeln an der anderen Stammbäume stellen sie entzückt fest, daß alle drei burischer Abstammung und aus Pretoria sind, wobei das Ehepaar dies vom Partner bestimmt schon vorher wußte. Nachnamen werden genannt, gewogen und im Munde gerollt wie Gewürztraminer. Sie wechseln ins Afrikaans und, offensichtlich dem Eindruck verhaftet, nicht verstanden werden zu können vom Rest der Passagiere, sprechen einige deutliche Worte zur Lage in Südafrika, was dort gemäß ihrer Meinung alles so schieflaufe und daß alles Schuld der Schwarzen sei. Das Wort "kaffir" wird verschwörerisch gewispert und das Doppel-ff zischelt an meiner Kopfstütze vorbei wie Schlangen im südafrikanischen Busch.

Ich sitze da, das Afrikaans dreiviertelverstehend da dem Holländischen und damit dem Plattdeutschen verwandt, und lasse die Welle Burenrassismus über mich waschen wie einen schleimigen Algenteppich in der Brandung. Dann drehe ich mich um und bestelle bei der blonden Flugbegleiterin einen schwarzen Tee ohne Milch und Zucker.