3.5.04

Das ist der Sieg!

Nochmal zum Film Festival und dem großen Bringer, der Starattraktion, dem Kassenknüller des Festivals, "Das Wunder von Bern". Zur politischen Aussage des Films gibt's nicht viel mehr zu sagen als anderswo schon geschrieben, z.B. in der TAZ, der jungle world oder Konkret, und wie man sich das eigentlich auch schon gedacht hatte: jede nur mögliche Geschichtslüge ist drin. Bei soviel Verharmlosung kommt sogar Herberger, der alte Nazi, noch als gönnerhafter Opa durch. Aber naja, wie gesagt: nichts, was man nicht erwartet hätte. Mittels "Das Wunder von Bern" versucht Deutschland nachträglich den 2. Weltkrieg zu gewinnen, damit "Rambo" und dem amerikanischen Versuch, das entscheidende Endspiel USA gegen Vietnam (in den roten Trikots) in der Retrospektive doch noch für sich entscheiden zu können, nicht ganz unähnlich.

Ansonsten: Peter Lohmeyer überraschend schlecht, Kulisse gut und die Figuren des Radiokommentators Ackermann und seiner aufgeschnatzten Schnalle (oder aufgeschnallten Schnatze) so überflüssig wie Kröpfe und niemandem meiner sozialen Bezugsgruppe so richtig einsichtig. Die Fußballszenen hingegen fand ich jetzt gar nicht soo schlecht, und auch fußballdramaturgisch war's eigentlich recht gelungen - es gehört schon einiges dazu ein Spiel, dessen Ergebnis hinlänglich bekannt ist, spannend darzustellen.

Viel interessanter hingegen fand ich Folgendes: das Kino war voll mit Deutschen / Deutschaustraliern / Australiern deutscher Herkunft, und alle fanden den Film klasse. Applaus am Ende, Szenenapplaus bei Toren und eine generelle "wir waren wieder wer" Athmosphäre, die ziemlich, um es deutlich zu sagen, widerlich war. Drei Szenen mögen als Beispiel genügen:

Als der älteste Sohn des Kriegsheimkehrers endlich die Nase voll vom Haustyrannen hat, haut er ab in die DDR. Dies erklärt er seinem Bruder mit den ungefähren Worten, dort (in der DDR) sei jeder gleich und jeder könne sagen, was er wolle. Anhaltendes, höhnisches Gelächter im Saal.

Sohnemann versteht nicht, warum der Pappa so ist, wie er ist, und fragt die Mutter, ob Pappa früher auch schon so gemein war. Die Mutter erklärt ihm sinngemäß, daß der Pappa nichts dafür könne und daß "es" überhaupt niemandes Schuld sei: "Wir können doch alle nichts dafür." Betroffenen Stille im Saal, stimmt, wir können doch alle nichts dafür, wir armen Opfer. Ein neuseeländisches und ein griechisches Mitglied meiner Bezugsgruppe und ich schnappen hörbar nach Luft bei soviel schmierigem sich-in-die-Tasche lügen - zwei Besucher in der Reihe vor uns drehen sich um und schießen uns bös;e Blicke zu.

Frau Ackermann stellt fröhlich vor dem Finale fest: "Die Ungarn machen wir zu Schaschlik". Herr Ackermann verbessert sie gönnerhaft: "Gulasch, Schatz. Du meinst Gulasch." Der Saal explodiert vor Lachen, während man sich selbst nur fragte: Schaschlik? Gulasch? Auf dem Gasherd, oder wie?

Und genau das ist mir schon mehrmals aufgefallen hier, eine Besonderheit vielleicht der deutschen und deutschsprachigen community hier in Sydney, oder vielleicht gilt das ja auch weltweit, eine Frage, deren Beantwortung ich auf später in dieser Woche verschieben muß: warum eigentlich emigrieren keine linken Deutschen? Stay tuned...