17.3.04

Tanzzwang - LES HURLEMENTS D'LEO, 12/03/2004, THE GAELIC CLUB

An diesem Abend hätten sich mobile Schuhmacher draußen vor der Tür eine goldene Sohle verdienen können. Meine schon vorher arg mitgenommenen Turnschuhe haben diesen letzten Belastungstest zwar noch mit Mühe und Not überstanden, werden jetzt allerdings nur noch mit gaffer tape zusammengehalten. Denn einem Frontalangriff von LEO hält wahrscheinlich nur bestes Schuhwerk stand. Auch Kermit der Frosch wußte schließlich schon: Das Schönste, was Füße tun können, ist tanzen...

Vor einem Jahr hatte ich Leo zum ersten Mal gesehen, im Rahmen des Sydney Festivals. Damals mußten die Jungs aus Bordeaux im Festivalzelt spielen, und obgleich Akustik, Athmosphäre (die gehören einfach in einen verrauchten Club) und Publikum (zu 50% aus Freikarten abgestaubt habenden Festivalschnöseln bestehend) ihnen eher nicht engegen kamen, waren sie doch großartig, mesmerisierend, atemberaubend gut. Außerdem werd' ich mich wohl immer an das anschließende Nachschmecken des Auftritts mit Akkordeonspieler JoJo erinnern, welches aus einem Mischmasch aus schlechtem englisch (er), schlechtem französisch (ich) und schlechtem Rotwein (wir) bestand.

Also schleppte ich sowohl die liebende Partnerin als auch Freundin M. in den Gaelic Club und versprach ihnen das Blaue vom Himmel, oder zumindest eben einen sohlenvernichtenden Tanzabend. Und Leo gab's reichlich - M. meinte hinterher, das wäre jawohl das beste Konzert seit langem, wenn nicht sogar je gewesen, das sie gesehen hätte, während auch die der leibhaftig dargebotenen Musik eher nicht so zugeneigte liebende Partnerin außer sich war vor Begeisterung.

Spiellaune, Energie, Spaß und 130 Minuten Befeuerung atavistischer Instinkte - eigentlich so einfach und doch so selten gesehen (wer sich die White Stripes letztens live angetan hat, weiß, wie furchtbar Livemusik sein kann...). M. faßte es treffend zusammen: "Ey, wer bei denen nicht tanzt, ist taub!" Naja, eine Band bei der der Schlagzeuger ein St. Pauli T-Shirt trägt, kann eigentlich auch nicht viel falsch machen ;-)

Vom ersten Song an hatten Leo den Club voll im Griff. Zuerst nur leicht wippend und (vereinzelt) tanzend hörte das Durchschnittsalter 30 - Publikum zu - wie gesagt, eigentlich war es ja Leos erster "richtiger" Gig in Sydney. So ab "A Bout d'Souffle" ungefähr, 5 Lieder im Set, ging's dann aber ab. Und zwar richtig. Leos leckere Mélange aus Ska, Folk, Punk, Walzer, Chanson, Rock und WasWeißIch ließ den Gaelic Club ähnlich wippen wie die U3 zwischen Feldstraße und St. Pauli nach Heimsiegen.

Offensichtlich war LEO vom letztjährigen Trip auch ziemlich beeindruckt, denn "Kaleidoscope", ein Song von der neuen CD, handelt ausschließlich von Australien, genauer: wie das ist, wenn man 3 Stunden geradeaus fährt und die erste leichte Kurve aufatmend bejubelt. Begeistert aufgenommen, wie eigentlich alles, war der Song ein schöner Schlußpunkt unter ein geniales Konzert, an daß sich alle Anwesenden sicher noch lange und gerne erinnern werden.

Dachte man zumindest - aber hatte sich was mit Schlußpunkt. Es hieß runter von der Bühne, rein ins Publikum, und weiter gespielt, in der tosenden Menge, ohne Verstärker, und auch wenn man selbiges schon damals bei Mano Negra im Logo oder bei Ozomatli in der Metro genossen hatte - das find' ich immer noch geil. Zeigt zumal auch, was für'n kommerzieller Mist MTV Unplugged ist. Unplugged im besten Sinne des Wortes ist eine 20minütige Zugabe von Leo - aber eben auch eingestöpselt, und zwar in die Stimmung des Publikums. Selbst das das australische Publikum zuerst leicht verstörende "runter in die Knie dabei weiter spielen und singen und leiser werden um dann wie auf Kommando hochzuspringen und abzugehen wie irrsinnig" Manöver klappte beim zweiten Mal grandios (während man beim ersten Mal noch die Europäer und/oder Fußballfans im Publikum genau erkennen konnte - die Blicke der Umstehenden waren aber auch zu köstlich...).

Ganz großer Abend. Ihr müßt Leo gucken, wenn ihr irgendwie die Chance dazu habt!! Ceci un ordre, mes amis!