7.11.03

Jello Biafra Boyband Fan

Vorgeschichte: irgendwann in meinem 16. Lebensjahr stolperte ich zum ersten Mal über die DEAD KENNEDYS. Ich will jetzt nicht mit meiner Fanhistorie langweilen (das kommt später vielleicht), in Kürze sei nur gesagt, daß ich in den folgenden Jahren alles an Platten, T-Shirts und Informationen sammelte, was mit D.K. und vor allem Sänger und Frontmann extraordinnaire, Jello Biafra, zu tun hatte (was vor dem Internet und Internet Shopping gar nich' so einfach war).

Mit der Zeit entwickelte ich eine fast schon ans Pathologisch grenzende Wertschätzung des Herrn Biafra - was an sich nicht außergewöhnlich wäre, die Anzahl tragischer Biafra-Adepten hält sich weltweit schließlich so ungefähr die Waage mit Henry Rollins-Clonen, Noam Chomsky-Verehrern und Tariq Ali-Anbetern (die Tatsache, daß ich letztere samt und sonders in den letzten 3 Jahren auch live gesehen habe - Herrn Rollins sogar mehrfach, und Herrn Ali auch - sollte mir vielleicht zu denken geben. Ich bin ganz offensichtlich auf der Suche nach Idolen...).

So wie Katholiken mindesten einmal im Leben nach Lourdes wollen, und Muslime nach Mekka pilgern, so kristallisierte sich über die Jahre der Wunsch, nein, das fast schon religiöse Verlangen heraus, einmal Herrn Biafra live sehen zu müssen. Dummerweise hatten sich die D.K. schon längst aufgelöst (1986), und Herr Biafra kam nicht nach Deutschland, um seine spoken word Sache zu machen. In England lebend verpaßte ich ihn Mitte der 90er um eine Woche.

Machen wir's kurz: Das erste Mal kam Herr Biafra im Februar 1999 nach Hamburg, 6 Tage nachdem ich nach Australien ging. Klasse. Danach verpaßte ich ihn um 3 Tage in Dublin und um 2 Wochen in Manchester beim Besuch von Freunden vor 2 Jahren. Inzwischen hatte sich die Teenagerfaszinierung und mein fiebriger jugendlicher Furor abgeschwächt und wich, wie alles andere, einer wattegebauschten Gelassenheit, und ich fand mich ab mit dem Gedanken, den Heroen Nummer Eins meiner Jugend niemals live zu sehen (die bis heute andauernden abgeschmackten Gerichtsverfahren und -streitigkeiten zwischen Herrn Biafra und den anderen 3 Dead Kennedys haben das auch nicht gerade schwierig gemacht).

Schnitt: Freitag vor 4 Wochen les' ich Zeitung in der Mittagspause. "Jello Biafra is coming to Sydney - first time in Australia since 1995! 2 big dates at the Enmore Theatre" steht da geschrieben, und ich lächle und denke mir: "Na, wer hätte das gedacht, krieg' ich den doch noch mal zu sehen. Besser spät als nie. Wann denn, hmmm, lass' ma' sehen... 26. und 27. 11. - Moment....." Und natürlich - am 26.11. fliegen die liebende Partnerin und ich zum Familienweihnachtenfeiern nach Hamburg. Um genau 18.00, um präzise zu sein - Herr Biafra beginnt seine Show um 20.00. Ich verpasse ihn um 2 Stunden. Persönliche Bestleistung. Und die ganze schöne Gelassenheit ging den Bach runter...

Jetzt ist Schluß mit lustig. Jetzt müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden; Herr Biafra wird endlich live begutachtet und wenn ich schon woanders hinfliegen muß. Und so wird es denn auch: am Freitag den 21/11 flieg' ich nach Canberra und am Samstagmorgen weiter nach Melbourne, denn glücklicherweise ist Sydney nicht Station 1 von Jellos Australientour. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Sonntag nach Adelaide zu fliegen, aber fand' das dann doch etwas exzessiv. Das Ganze kostet Geld und Zeit die ich (5 Tage vor einem 5wöchigen Überseeurlaub) sowas von gar nicht hab', aber wat mutt dat mutt.

Die liebende Partnerin schlug mein Angebot, ob sie vielleicht mitkommen wolle, mit einem herzhaft lachenden "Fünf Tage, bevor wir nach Europa fliegen? Du spinnst wohl!" im nur leicht um meinen geistigen Zustand besorgten Gesicht aus. Bleibt nur zu hoffen, daß ich während der Show (natürlich hab' ich meine Plätze erste Reihe Mitte. Selbstredend.) an mich halte und mein Kreischen und Unterwäscheschmeißen auf ein Minimum beschränken kann. So wird man im fortgeschrittenen Alter noch zur Alternativversion eines Boyband Fans... das Leben ist voller Überraschungen. Und dann kann ein lange ungeschriebenes Kapitel meines Lebens endlich zugeklappt werden. Hoff' ich...