14.10.03

"Das geht natürlich nicht so glatt ins Ohr wie Peter Alexander" (Loriot) - TOY DEATH und DARTH VEGAS, 10/10/2003, THE GAELIC CLUB

Was soll man an einem verregneten Freitagabend, an dem der Rugby World Cup sämtliche Kneipen mit Eröffnungsfeier und -spiel vergiftet, sonst auch machen? Man geht und sieht sich einen musikalischen Verkehrsunfall an. Der Gaelic Club war so frei und gab einem für einen schlappen Zwölfer die Chance, sich nicht nur die momentan wahrscheinlich bizarrsten Bands Sydneys auf die Augen und Ohren zu drücken, sondern auch endlich mal wieder richtig angenehm tanzen zu gehen.

Denn netterweise gab Herr Jay Katz (Sounds of Seduction, Mu Meson Archives) den DJ samt MC und sponn seine unsagbar abseitigen Platten vor, zwischen und nach den ebenso abseitigen Bands. Die Sounds of Seduction Crew oszilliert irgendwo zwischen 50er Jahre Stripshow Beats, 60er Jahre Hippiekitsch und 70er Pornofilmsoundtrack - wer hätte gedacht, daß man so gut zu einem "Born to be wild" Schweineorgel-Cover tanzen kann? Dazu liefen die inzwischen allgegenwärtigen (na gut, allgegenwärtig dort, wo ich hingeh'...) vergilbten Ami-Propagandafilme auf einer Bettlakenleinwand, in denen unschuldige weiße Mittelstandskinds nach Einnahme von Hasch/LSD/Negermusik (unzutreffendes bitte streichen) flux den Verstand und sich in einer Orgie von Sex und Gewalt verlieren. Wer kennt das nicht... Ahem.

Solcherart gereinigt von wöchentlicher Lohnarbeit, rhythmitisierte man also so vor sich hin, als 3 sogar für diesen Abend extrem geschmacklos angetane Gestalten sich den Weg zur Bühne freitanzten. Ein in grauer Tarnkleidung gewandeter Mann mit Polizeihelm und Faschingsplastikmaske, ein in einen grellorangen Pyjama (komplett mit überdimensionierter Zahnbürste in der Brusttasche) gekleideter Mann mit pinken Kaninchenohren und halb-zertrümmerter Babymaske, und eine Frau in gelbem Tütü mit grotesk zugespitztem Büstenhalter unterm gelben Stretchtop. Ladies and Gentlemen: Toy Death.

Die muß man wirklich gesehen haben, um sie zu glauben (und selbst dann fühlte man sich immer noch wie in einem der gerade genossenen Anti-Drogenfilmchen). Ich hab' T.D. jetzt vier mal gesehen und bin mir immer noch nicht sicher, ob das jetzt die genialste Band der Stadt ist, oder die dämliche Installationskunst dreier gelangweilter Uniabsolventen. Wie dem auch sei - T.D. machen Geräusche mit Spielzeugen. Barbie, Ken, Spielzeugsaxophone, Autosimulatoren, Teddybären und was sonst noch quiekt, fiept, spricht, brummt, röhrt, wummert und quakt wird verkabelt und durch die PA gezwängt, meistenteils nur unterlegt von einem Spielzeug-DJ-Pult Beat und/oder Loops, die sich (natürlich) anhören wie aus dem Blecheimer.

Damit erzählen T.D. dann Geschichtchen von Liebe, Gefahr und Verlassenwerden, und posieren dabei auch nicht schlechter als viele sog. "Schauspieler" - wenn man erstmal gesehen hat, wie eine furchteinflößend grell kostümierte Frau 5 Minuten lang, begleitet nur von einem Technobeat, die Lippen zu ihrer wie eine Gitarre geschwungenen Barbie bewegt (duff duff duff duff duff HI! I'M BARBIE! I LIKE SHOPPING! duff duff duff duff HI! I'M BARBIE! I LIKE SHOPPING! duff duff duff duff....), wird einem erst gewahr, wie schlecht Gwynneth Paltrow ist. Bei T.D. sprechen winzige Megaphone mit Knuddelhäschen und Schnuffelhündchen werden von Maschinengewehren herzzerreißend abgewisen: "DUFF ping DUFF DUFF ping DUFF ping DUFF DUFF ping MY NAME IS SPIKE! DO YOU WANT TO BE MY FRIEND? ping pingeling ping DUFF DUFF ping STOP! DROP YOUR GUNS!! DUFF DUFF ping pingeling ping ping DUFF DO YOU WANT TO BE MY FRIEND? - DROP YOUR GUNS!! ping ...MY FRIEND? ping STOP!", und so fort. So hart kann das Leben sein, wenn man aus Plastik und Plüsch ist. Genial oder geschenkt? Bei TOY DEATH weiß' ich's immer noch nicht.

Danach wieder gepflegt schwofen, bis dann, natürlich Schlag Mitternacht, abrupt die Musik aufhörte und die Lichter ausgingen. In die gespannte Stille hinein hörte man das unmißverständliche, mehrfache Einstöpseln diverser Instrumente (ziiiiiiiirrrrrrrrrrclickclick), die Boxen begannen zu vibrieren (BRRRUUUUUUUUUUUUUUU)... Das Licht ging an und 6 Gestalten staksten auf die Bühne, die Erkennungsmelodie des Todessterns aus Star Wars spielend - TA TA TA TAtaDA TAtaDA!!! Darth Vegas has entered the building. Und die klingen tatsächlich so, wie sie heißen. Wie auch nicht anders zu erwarten von einer Kombo, deren musikalisches Vorbild, laut eigener Aussage, die Cantina Band aus, eben, Star Wars ist. Und obwohl der Name leicht bescheuert klingt: das paßt schon. Wie soll man das nennen? Lounge Music für Weltraumbahnhöfe, die musikalische Entsprechung vollgekritzelter Schulhefte, Channelsurfen für's Ohr, epileptische akustische Anfälle, die sagenumwobene kurze Aufmerksamkeitsspanne der Generation X in Noten, der Sound der Postmoderne? Punk, Jazz, Chanson, Music Hall, Lounge, Swing, Death Metal, Surf Music und Kabarett fahren Geisterbahn auf einem Dorfjahrmarkt und kriegen die Glieder durcheinander. So würde sich das anhören, wenn zwei grobschlächtige Aliens in einem Nachtklub im Berlin der 20er Jahre relaxen, ab und zu die Musicbox mit 16 wurstigen Extremitäten bearbeiten und an der Wasserpfeife nuckeln.

Gut, originell ist das nicht, sondern vielmehr arg beeinflußt (wenn nicht gar geklaut) von Mr. Bungle, Fantomas oder John Zorn in seiner NAKED CITY Phase. Gerade Mr. Bungle ist wohl der geeignetste Vergleich; obwohl D.V. eher verspielter und lässiger daherkommen.

Wie auch immer: unglaublich gute MusikerInnen mit (alp)traumhaft sicherem Zusammenspiel und einem Sound so dicht wie Harald Juhnke zu seiner Glanzzeit. Es ist fast unmöglich, die Songs genau zu beschreiben, zu viel geht in ihnen vor, doch die Titel lassen Rückschlüsse zu: "Nano Nano", "It came from beyond", "The revenge of the claw", "Ghost Train", "Mephisto Mash", "Spook House", "Captain Terrific"... 75 Minuten lang gingen wir Surfen auf den Wellen des musikalischen Ozeans und sammelten alles ein, was so an Treibgut vorbeischwamm. Ganz großer Sport, und als nach einem begnadet kaputten Cover von "Brazil" (samtener Mambo für die Strophen, Death Metal für den Refrain) D.V. von der Bühne taumelten, hatte nicht nur ich ein breites Grinsen im Gesicht.

Klasse Abend - so geil kann Livemusik sein!! Und obwohl meine Eltern mir beigebracht haben, daß man bei Verkehrsunfällen nicht zu gaffen hat!