4.8.03

Schwule australische Hautcreme

An der australischen Herrenwelt haben sich schon ganz andere als ich die Zähne ausgebissen. Darum soll das hier auch gar keine lange soziologische Ausarbeitung werden. Obwohl: über die Kerle und überhaupt das Geschlechterverhältnis hier ließe sich sowas gut darstellen! Was die Relation Mann-Frau angeht, schlummern Fräulein und Herrlein Australien noch sanft in den 50er Jahren (nicht nur in diesem Bezug ist Australien wie eine unwillkommene Wiederholung des Immenhofes, aber das vielleicht ein anderes Mal). Im Ernst: das geht gar nicht. Selbst gestandene Frauen in ihren Dreißigern führen sich hier noch auf wie die stereotypischste Teeniebraut aus Eis am Stiel, und die Männer - naja. Da stellen wir uns janz dumm, und da sachen mer so: mich wundert, daß sie schon aufrecht gehen können.

Aber ich wollte es ja kurz machen heute. Kurz: als Mann darf man ENTWEDER an Sport interessiert sein (natürlich Rugby, bevorzugt League, aber auch Australian Rules wird geduldet) - das sind 80% der australischen Mann-schaft; ODER auch mal gerne 'n gutes Buch lesen und vielleicht etwas auf sein Äußeres achtgeben - das sind die schwulen Intellektuellen. Sport und Intellekt? Das sind ja gleich 2 Sachen auf einmal! Das geht nun wirklich nicht; denn das schließt sich ja angeblich aus, und hier, wo Männer noch Schweine sein dürfen, schon mal sowieso.

[EINSCHUB: und jetzt komme mir keiner mit der niegelnagelneuen Mediensensation, den sog. "Metrosexuellen". Was für ein elendiger Quatsch mit Soße. Wer immer noch bezweifelt, daß jeder Mensch zumindest latent bisexuell ist, dem/der ist wirklich aber auch gar nicht mehr zu helfen. Ich sage nur: Handelsmarine, Zwangshomosexualität und so weiter. Auf einer Skala von 1 (Superschwuchtel bzw. FrauenLesbe) bis 10 (Hetero As Fuck) sind die meisten von uns eben dazwischen anzusiedeln, und da ist es auch schön wollig. Klammer zu]

JE-DEN-FALLS: wenn man denn relativ fassungslos davor steht wie ich (und ich hab ja noch gar nicht angefangen!!!! Freundschaften mit Frauen sind hier so gut wie unmöglich, weil selbige, durch ihre Kerle auf die niedrigsten Instinkte trainiert, immer gleich "Fickenwolleney!" verstehen. Nun ist Schnackeln als Kulturgut ja zu begrüßen, aber ehrlich jetzt. Ich könnt' mich schon wieder aufregen), dann diktiert das Gesetz des Zufalls natürlich, daß einem Folgendes passiert:

Letzten Monat ging auf der Arbeit eine Internetumfrage 'rum - "Wie hoch sind Ihre weiblichen/männlichen Anteile?", oder ähnlich verschämter, verschwiemelter Code für "Sind sie etwa homosexuell?", aus der australischen COSMOPOLITAN oder irgendso 'ner anderen waldvernichtenden Schmierenkomödie. Klasse, endlich mal Zeitverschwenden am Computer! KollegInnen und ich also eifrig die Fragen beantwortet (und ich denk noch: wat für komische Fragen; "Benutzen Sie Hautcreme?", "Trinken Sie gerne mal ein Glas Wein?" und so; und ich denk noch: wat soll das denn aussagen...); am Ende erscheint eine lustige Tortengrafik und gibt, in Prozenten, den jeweiligen schwulen, äh, ich mein natürlich, "weiblichen" resp. "männlichen" Anteil an.

Und jetzt kommt's: in dieser australischen Umfrage war ich der Schwulste im ganzen Büro!! Ich war homosexueller als die bekennenden und praktizierenden schwulen Kollegen A., S. und B.!!!! ICH WAR HOMOSEXUELLER ALS DIE HÄRTESTE LESBE DES BÜROS!!!!! (anständigerweise muß man sagen, daß die liebe Kollegin L. mir fair zum Sieg gratulierte). Ich, als normalo-hetero, biertrinkender Fußballfan, war 22% schwuler als Schwule. Und warum?? Ich sage nur: "Benutzen Sie Hautcreme?". Das reicht in Australien schon zum Schwulsein in den Augen des mainstream, oder zumindest der australischen COSMO - und ich hätte die Frage: "Lassen Sie sich von ihrer Frau bekochen und alles vor den Arsch tragen, während sie nach 5 Bieren schon besoffen im Pub die Theke umarmen, Rugby gucken und rituell AUSSIE AUSSIE AUSSIE OI OI OI grölen?" vielleicht doch bejahen sollen. Um mit Bill Hicks zu sprechen: Mann, ist mein Daumen nicht am Puls australischer Maskulinität.

Nun ja. Das Büro konnte überhaupt nicht verstehen, wie das angehen könne ("Aber du hast doch eine Freundin, oder? Hast du geschummelt?"), und bevor man denen jetzt erklärt, wie die Sache liegt (bzw. hängt) und sich über den Sexismus eines zutiefst sexistischen Landes noch groß weiter aufregt, hält man lieber die Klappe und sagt statthalber: "Naja, ich hab schon 'n bißchen gemogelt. Natürlich benutz' ich keine Hautcreme. Ich bin schließlich ein Mann!"

Wenigstens stehen jetzt jeden Tag frische Blumen auf meinem Schreibtisch, ich kann vor Dinnereinladungen kaum noch die Ablage sehen, und auf dem nächsten MARDI GRAS ist mir mein Platz auf einem der Wagen auch schon sicher...