13.8.03

Canberra Now - der Horror, der Horror...

So kam ich also zu Canberra wie die Jungfrau zum Kinde - 3 Tage letzte Woche, Dienstreise sozusagen, der studierwilligen Oberschülerschaft Canberras die eigene Lehranstalt anzupreisen. Obwohl: so kam die Jungfrau ja gar nicht zum Kinde - von Dienstreise und Oberschülerschaft wird ja wohl nix erwähnt in der Bibel. Unbefleckte Empfängnis hingegen - Heidewitzka!

Jedenfalls war ich das letzte Mal vor so ca. 10 Jahren in Australiens Hauptstadt, und von mir aus dürfen auch noch weitere 10 Jahre ins verbrannte Land zwischen hier und da gehen, bevor ich mir Canberra wieder geben müßte. Eine geistfreiere Stadt zu finden dürfte schwer werden - selbst Solingen hat mehr Flair. Die Krankheit der Retortenhauptstadt ist keine australische - Washington rockt auch nicht, in Brasilia liegen angeblich mehrere Hundemeuten begraben, in Ankara werden die Bürgersteige, wie man hört, um 9 hochgeklappt, Pretoria riecht auch schon etwas komisch und Bonn anno dazumals... naja.

Das kommt dabei raus, wenn Sydney und Melbourne sich nicht einig werden, und man Herrn Walter Burleigh Griffin machen läßt: ein Stadtdesign wie ein Kapitel aus meinem bald erscheinenen Buch "Die Idee war ja ganz gut..." (Verleger bitte melden! Das wird der Knüller!!). Hingebratzt so ungefähr mittig zwischen Sydney und Melbourne, wirkt Canberra so athmosphärisch wie ein Andrew Lloyd Webber Musical. Und das Bizarrste: nicht nur, das die Stadt hauptsächlich von BeamtInnen, PolitikerInnen und anderen sozialen Ballaststoffen bevölkert wird, nein, als architektonisches Leckerli hat sich Walter gedacht, daß möglichst viel Platz zwischen Häusern und Stadtteilen gelassen werden sollte, so daß man auch ja nicht ohne Auto irgendwo hinkommen kann.

Dieser Platz wurde, ökologisch wertvoll, durch reichlich Natur aufgefüllt. Sehr Jutta Dithfurt mag man jetzt denken. Dummerweise hatte keiner dem amerikanischen Walter gesagt, daß selbige Natur in Australien naturgemäß gerne mal in die Luft geht, sprich: da Buschfeuer Gottes Weg sind, den Fortbestand eines Gutteils der australischen Flora zu garantieren, brennt Canberrans (Canberrians? Canberrovians??) halt regelmäßig die Gartenschaukel unterm pensionsberechtigten Hintern weg. Burn Canberra Burn, um mit PUBLIC ENEMY zu sprechen.

[EINSCHUB: die australische Flora muß sich bei Gottes Fortpflanzungsmöglichkeitsbekanntmachung auch gefühlt haben wie ich mich sonst bei IKEA an der Warenausgabe - erst ewig warten und dann doch nur Mist kriegen. 3 Uhr nachmittags, 7. Tag, Wolke 4 1/2. Gerammelt (harhar) voller Äther. GOTT: " Sodele (Gott ist schwäbisch), was hab' ich noch zu sagen... Ach ja: Fi.., äh, Fortpflanzung bei Tier und Pflanze. Ma' hergehört hier: Sex für alle!!" Großes Gejubel von Amsel bis Zebra, von Apfel bis Zierbegonie. "Für einige sogar mehr als für andere!", fährt Gott fort und deutet majestätisch auf die Kaninchen, welche unter "OLE! WIR FAHR'N IN' PUFF NACH BARCELONA, OLE OLE!" Gegröhle abziehen. Gerade wollen sich Floren und Faunen abwenden und Materie werden, als Gott mit einem süffisanten Lächeln anmerkt: "Sex für alle... außer für Eukalyptus, Waratah und anderes Gondwanalandgedöns (Gott ist auch Hamburger). Ich bin Gott und kann mir jawohl 'n Scherzken erlauben (Gott ist auch Ruhrpottler. Gott ist eben alles), aalso: Fortpflanzung für euch durch regelmäßiges Abfackeln! Mir war danach! HA!" "Na geil..." murmeln Banksia, Wattle und Macademia.]

Grau die Gesichter, grau die Anzüge in Canberra. Canberras Nachtleben wird weitestgehendst durch Eulen bestritten; und während Canberra feine Museen und Kunstgalerien hat, umschleicht einen doch feierabends auf dem Weg ins Gott sei Dank nahegelegene Motel der vage Verdacht, hier nicht unter den Lebenden zu sein. Um sich vor der Nacht der (möglicherweise auch noch reitenden) Leichen zu retten, flüchtet man ins erstbeste Lokal - um von der seltsam automatenfreundlichen Bardame aufgeklärt zu werden, hier sei jetzt Schluß. Was auch OK ist - es ist schließlich schon 20.00.

Nichtsdestotrotz gibt es in Canberra doch eine Touristenattraktion. Denn auch hier folgt man der altehrwürdigen Abzockermasche, nach der PolitikerInnen die ganzen schönen Sachen für sich selber legalisieren oder zumindest sich gerne mal, in toto, entkriminalisieren und nicht etwa ebenso unbarmherzig in den Knast werfen wie unsereinen. Hasch und Pornografie sind in Canberra, im Gegensatz zum Rest des Landes, legal. Warum das in Restaustralien nicht so ist, darüber vielleicht später mehr. Und so machen sich Trecks junger Männer, Westwärts Ho!, regelmäßig aus Sydney (und sicherlich auch Melbourne und vielleicht sogar Adelaide) des Wochenendes auf und fahren nach Canberra, einkaufen - wie kranken Gehirnen entsprungene Keuzungen aus Tupperparty, Kegeltour nach Malle und Auswährtsfahrt zu einem Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Und dieses lustige Stück Legislation erklärt auch, warum in Canberra niemand anzutreffen ist: alle sind zu Hause und schauen zugekifft Pornos. Niemand ist auf den Straßen außer Pizzaboten und auswärtigen Handelsreisenden, die Nichtrauchermotelzimmer mit Rauchmelder (dafür ohne Videorekorder) von der Arbeit gebucht bekamen; Auswärtige, die ziellos durch Vororte irren, vorbei an geschlossenen Restaurants und Pubs, vorbei an mit grauen Gardinen verhängten Fensterscheiben, hinter denen sich feiste Beamtenehepaare gemütlich den Büroalltag wegdrogen ("Möchtest du noch einen Haschkeks, Schatz?" - "Hach, na gut, einen noch.") und sich Shaving Private Ryan auf DVD reinziehen. Brrrrrrrrrrr.