17.7.03

GLAMOUR my arse

Vorgeschichte: Dies ist auch schon etwas älter, geschrieben im April 2003. Im St. Pauli Forum meldete sich eine Frau namens Meike, die um Hilfe bei einer "story" für die Zeitschrift GLAMOUR bat. Sie suche "einen weiblichen Fan, der irgendetwas Besonderes/Verrücktes gemacht hat, um seinem persönlichen Fussballstar nachzueifern oder nahe zu sein" (ihr posting kann man hier nachlesen). Da hab' ich mir gedacht, ich nehm' der guten die Arbeit ab...


GLAMOUR, Juli 2003

FUSSBALLVERRÜCKT - 3 GIRLS UND IHR RUNDES HOBBY

von Meike Schnitzler

Jenny Klischee, Renate Abziehbild und Constanze ("aber nennen sie mich ruhig Conny, hihi!") Quotenstudentin nesteln nervös an ihren hippen Handtaschen (die Cherry-Blossom-Bag ist jetzt schon die Trendtasche des Sommers.) Gerade hat ihr angeschmachteter Held, Marco Gruszka vom 1. FC St.Pauli, seinen Gegenspieler mit laszivem Hüftschwung in die Werbebande befördert. Jenny, Renate und Conny sind Fusballfannins...äh, Fussballfanninen... Fussballfans und stehen total auf den süßen Marco. Ihre Haare tragen sie, ihrem Idol gleich, lang, blond und zum Pferdeschwanz gebunden, denn sie wissen: wenn die Frisur nicht gelingt, rutscht die Stimmung sofort in den Keller.

Sie sind ganz normale Girls mit Make-up in Pastelltönen wie Erdbeersahne und Feenviolett. Und weibliche Fans des 1. FC St.Pauli, und natürlich ganz besonders Fans von Gruszkas Oliver. Aber wie ist das denn, wenn ein Spieler den Verein wechselt? Können Sie fremden Versuchungen nur schwer widerstehen oder sind Sie eine treue Seele?

"Ach wissen sie," erläutert mir Jenny, "das Ende einer Liebe ist kein Grund, ewig Trauer zu tragen. Besser den Jetzt-Zustand genießen und sich die Single-Zeit mit Lovehopping versüßen. Was sind wir emotional am Stock gegangen, als Jochen Kientz den Verein verließ!" "Genau," wirft Conny ein, "ich konnte wochenlang an keinem Waschbrett vorbeigehen, ohne zu heulen, hihi!" "Aber schlußendlich," mischt sich Renate ein, "geht es eben doch weiter. Zum Glück kam ja der Marco - ein Klassiker mit viel Sex-Appeal. Wir verraten Ihnen, zu wem er am besten passt!"

Nach einer 15minütigen Aufzählung Marco Gruszka-kompatibler Eigenschaften meiner Interviewerdeninnen...äh, Interviewerinnen... quatsch, Befragten, kann ich das Thema endlich wieder auf "Fußball" zurücklenken. Ich will wissen: wie kommt man als Girl eigentlich zum Fußball? "Wir haben versucht uns einen Durchblick in der Denk- und Handlungsweise des anderen Geschlechts zu verschaffen," entgegnet Renate. "Aber viel lieber als auf der Tribüne wären wir ja in der Umkleide, hihi," flüstert Conny, den Blick verschämt gen Boden richtend. "Na klar, nach hinten will jeder. Den Hype atmen, sehen, wie Maggie Rizer binnen Minuten geschminkt wird ..." orgasmiert Jenny jubilierend, und während ich noch darüber nachdenke, ob Maggie Rizer der neue Mittelfeldstürmer des 1.FC St.Pauli ist, ertönt schon der Halbzeitpfiff. "Schnell, schnell, bevor die Sonne das Sandalenwetter herbeizaubert," jauchzen die Girls und zerren mich zum Bierstand hinter der Gegengeraden, drücken mir ein Bier in die Hand, zerren mich zur Wurstbude und bestellen eine Krakauer für mich. "Salatteller rechts oder links? Wissen Sie`s nicht? Bei Geschäftsessen sollten Sie aber. Denn gute Manieren bringen Sie im Job weiter," moniert Jenny, was komisch ist, da ich ja gar keinen Salat esse.

Wie schaffen die fußballverrückten Girls es denn, bei Wurst und Bier die von meinem Magazin vorgeschriebenen Größen 6-8 zu halten? So wundere ich mich noch, als eine Gruppe Waldhof Mannheim Fanninnen... ach Scheiße, Fans mein ich, als also eine Gruppe Mannheim Fans am Zaun vorbeizieht, den rechten Arm erhoben. "Auf in den Kampf Ladies!" schallt es zu meiner Linken, und während Renate und Conny schon wonneschreiend unter "Nazis Raus!!" auf den Mannheimer Mob losstürmen, tätschelt mir Jenny beruhigend den schlaffen Oberarm und tröstet: "Wir zeigen Ihnen wie Topmodels Ihre Körper in Form bringen - und Sie können das auch!" Sekunden später stürmen auch wir durch den Stadionausgang; Jenny läßt vernichtend ihre Tasche (die Cherry-Blossom-Bag ist jetzt schon die Trendtasche...aber das schrieb ich ja schon) auf den Bregen eines Baden-Württembergischen Barbaren ballern (ich hab auf der Journalistenschule nämlich Alliteration gelernt), während ich dummerweise mit dem Gesicht zuerst in einen Fettnapf falle und mir die Schreibhand verstauche. Mir tut alles weh und ich denke, wenn unser Körper sprechen könnte, hätte er einiges zu sagen. Und zwar nichts Nettes.

Aber die 2. Halbzeit beginnt und Jenny, Conny und Renate drängt es wieder ins Stadion. Sie holen sich noch je eine Wurst und ein Bier, stecken sich eine merkwürdig riechende Zigarette an und grinsen: "Sportlernahrung vor, während und nach dem Training. Und für den Durst verlosen wir coole SIGG-Sportbottles!" Sie lachen glücklich über das kleine Halbzeitgemenge, ihre Gesichter sind verschwitzt und ihre modischen Outfits lehmverschmiert. Ich kann nicht umhin zu bemerken: Noch nie war die Mode von Mari Otberg fröhlicher als heute. Für Happy Girls und Babyboomers, die nie erwachsen werden wollen.

Aber jetzt will ich wissen: "Wo haben die Stars gelernt? Ist sowas nicht ein irgendwie total unweibliches Verhalten? Irgendwie männlich?" Renate blickt mich verständnislos an: "Wie gelernt? Sowas lernt man im Leben eben. Und überhaupt - Das Bild, das Sie von Männern haben, beeinflusst stark Ihr Verhalten, glaub ich". Conny nickt verneinend, während Jenny bejahend den Kopf schüttelt. Ne, Moment... andersrum.

Auf einmal haucht mir Renate unvermittelt ins Ohr: "Mögen Sie es lieber romantisch bei Kerzenschein oder probieren Sie gern mal was Neues aus?", und streichelt mir zärtlich über die lädierte Schreibhand, während Conny meine Schultern massiert und mich kryptisch fragt: "Gehören Sie zu den Frauen, die Stunden im Bad verbringen und alles sofort ausprobieren müssen? Hmmmmmm?" Ich bin wohl doch etwas verwirrter durch die Halbzeitgeschichte als ich dachte, und kann nur noch murmeln: "Aber ich bin doch nur die Meike, für ein Interview für die Frauenzeitschrift Glamour suche ich doch nur einen weiblichen Fan, der irgendetwas Besonderes/Verrücktes gemacht hat, um seinem persönlichen Fussballstar nachzueifern oder nahe zu sein. Beispiel: Man hat seine Kinder so getauft, man zieht sich so an, hat die gleiche Frisur, geht in die gleichen Kneipen wie er, in der Hoffnung ihn zu treffen oder man hat selber angefangen, Fussball zu spielen.... Also irgendetwas Nettes und Ausgefalleneres als vielleicht nur zu jedem Spiel zu gehen."

Ich bin den Tränen nahe. Conny sieht mir verstehend in die Augen und spricht mir Mut zu: "Der 30. Geburtstag - Gefühle, Ängste, Chancen. Nur nicht in Panik ausbrechen." "Genau" pflichtet ihr Renate bei. "Damit Sie noch lange gut aussehen, haben wir ein paar Tipps für Sie." "Ein bisschen Botox in die Stirn, etwas Kollagen unter die Krähenfüße," krakeelt ein offensichtlich Angetrunkener von der nächsten Traverse herunter und ich muß weinen. So hatte ich mir meine Recherche nicht vorgestellt. Als Fazit kann man nur sagen: Was bringt weiter? Bildung: Ja. Zeugnis: Ja. Schönheit: Ja, allerdings! Was sonst noch zählt... ich weiß es nicht. Ich glaub', ich besorg mir erstmal 'n anständigen Beruf.


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